Wanda erzählt

Wanda

Ilustration: Paula Will

Das Licht geht an und meine Lebensretterin betritt das Zimmer. Ja jetzt sind es schon zwei Jahre dass mich Lundi aus dem zugefrorenen Gartenteich des verstorbenen Nachbars Max gerettet hat. Seitdem bin ich in einem schönen warmen Aquarium unterbracht und beobachte interessiert was Lundi und ihre Kinder so alles anstellen. Mein Name ist übrigens Wanda und mein Platz ist genau neben dem Wickeltisch, was nicht immer angenehm ist. In meinem kleinen Becken sind noch drei weitere Goldfische untergebracht, der eine ist weiß , einer Rot und dann ist da noch Glubschi der ist schwarz und ich glaube das der gar kein Goldfisch ist.
Es ist jetzt 5 Uhr und Lundi schaut im Wohnzimmer ob alles aufgeräumt ist. Haenson, ihr Mann schaut nämlich bis spät nachts immer Fernsehen, was gar nicht gesund ist und räumt dann aber nix mehr auf. Das macht dann Lundi jeden Morgen, legt die Decken zusammen und setzt die Kissen wieder schön auf das Sofa. Danach macht sie Kaffee, was ich aber von meiner Position aus nicht sehen kann.
Lundi ist die Oma von Paula und manchmal schläft Paula auch im Haus ihrer Großeltern, meistens dann wenn die Mutti von Paula Nachtschicht im Krankenhaus hat, sie ist nämlich Krankenschwester und seit kurzen auch Stationsleiterin.
Lundi ist Tagesmutter und nach dem Frühstück kommen die ersten Kinder. Meistens kommt die kleine Lara zuerst oft schon um kurz vor Viertel Sieben, für Norddeutsche viertel nach sechs. Meistens isst die kleine Lara zuerst eine Kleinigkeit, bevor sie zu mir ins Zimmer kommt um zu spielen. Als erstes krallt sie sich dann das Feuerwehrauto und gibt es nicht mehr her, wahrscheinlich weil ihr Papi Berufsfeuerwehrmann ist. Wenn man bedenkt das ein Facharbeiter in der Metallindustrie fünfmal so viel verdient wie eine ausgebildete Tagesmutter dann merkt man so als Schleierschwantz das bei den Menschen etwas ziemlich falsch läuft. Autos sind mehr wert wie Kinder.

Ab sieben Uhr kommen dann so nach und nach Steve, Johann, Maria und Sepp, dann wird es erstmal richtig laut in der Bude, zumindest im Winter wenn die Kinder nicht hinaus in den Garten können.
Nach einem kurzen Frühstückssnack liest dann Lundi den Kindern aus einem Buch vor oder sie schauen alleine ein Buch an, was zum Beispiel Steve meistens tut, wenn dann jemand kommt deutet er immer auf was im Buch er grinst dabei und sagt immer „Kraka, Kraka“ oder so ähnlich. Lundi verstehe die Kindersprache ich leider nicht.
Gerade wickelt Lundi den kleinen Freidrich neu und ich schaue ihm dabei fest in die Augen. Noch bevor er fertig gewickelt ist schläft er ein, ja ja da habe ich wieder einmal so einen Zwerg hypnotisiert. Glubschi stösst vor lauter Freude darüber lauter Luftblasen aus. Als das Lundi sieht sagt sie nur:“ Oh nein, nicht schon wieder.“ Sie weiß jetzt das Jendrik mindestens 4 Stunden schlafen wird. Jendriks Eltern stammen aus Norddeutschland und sind eigentlich, so wie ich das beurteile locker drauf. Vor kurzem, wie es so kalt war im Januar, hat Haenson der Mutti von Jendrik beim überbrücken ihres Motors geholfen, hat er jedenfalls Lundi im Wohnzimmer erzählt, also besser gesagt die Mutter von Jendrick hat Haenson alles genau erklärt was er machen soll, er ist nämlich technisch total untalentiert. Jedenfalls hat es der Mutter von Jendrik sehr geholfen und wollte Haenson einen Bocksbeutel mitbringen.
Bocksbeutel sind typisch, fränkische Weinflaschen mit einem dicken Bauch die es nur in Franken gibt. Seit 2015 gibt es eine neue Bocksbeutelform, die an den Ecken etwas kantiger ist und er heißt Bocksbeutel PS.
Haenson lehnte aber ab und wollte keinen, erstens war der Anlass zu gering. Wenn man helfen kann sollte man auch helfen und zweitens kann Haenson nicht mehr so viel Wein trinken weil er Zucker hat. Die Zuckerkrankheit nennt man auch Diabetes und man kann sie auch bekommen wenn man als Kind zu viel Süßes ist. Ich bin zwar ein SÜSSwasserfisch, aber Diabetes kann ich nicht bekommen.
Jendrik hat wieder ausgeschlafen und erst mal Hunger. Heute gibt es Nudeln mit leckerer Tomatensoße, so wie ich das mitbekommen hatte als Lundis jüngster Sohn Moritz angerufen hatte und sich nach dem Essen erkundigt hat.
Am kleinen Tisch unterhalb meines Aquariums fängt Jendrik an, ausgestattet mit grüner Plastikgabel, weißer Porzellanschüssel und einem bunten Latz. Zuerst ging es mit der Gabel, nach einer Weile dann auch mit beiden Händen, es dauerte nicht lange und das Schüsselchen war leer und deutliche Klopfzeichen mit dem selbigen waren für die Lundi das Zeichen nochmal für einen Nachschlag zu sorgen. Was in so einem kleinen Kerl alles reinpasst.
William, Maya und Josef wurden mittlerweile von ihren Muttis abgeholt und die Spätschicht kommt auch gleich. Für Lundi Zeit den Geschirrspüler einzuräumen und einen Moment durch zu schnaufen. Dann klingelt es auch schon und Joris und Clemens kommen angewackelt. Heute wird es für Lundi ein extrem langer Tag. Wie ich beim Belauschen der Telefonanrufe mitbekommen habe sind bei einigen Eltern heute in den Grundschulen Elternabende angesetzt und so kamen um 13 Uhr Kassandra um 16 Uhr holt Lundi noch Max aus den Kindergarten in der Alemannenstraße und um 18 Uhr kommen dann noch die Geschwister Lisa, Sophia und Hannes. Oje das wird ein langer Tag.
Elternabende sind Veranstaltungen der Schulen zu denen die meisten Eltern nicht so gerne hingehen. Manchmal sind die Noten in den Keller gerutscht und die Versetzung in die nächst höherer Klasse ist gefährdet oder es geht um die Neueinschulung, dann bekommen die Eltern gesagt wo ihr Kind wahrscheinlich zur Schule kommt und wo sie dann mit ihrer Schultüte hinmuß. Schultüten bekommt jedes Kind am ersten Schultag. Meistens hat die Tüte die Mutti gebastelt, es kommt aber auch vor das wenn die Mutti keine Zeit hat und die Tüte der Papi bastelt oder sie wird irgendwo gekauft. Gefüllt wird die Schultüte meistens mit Süßigkeiten, kleinen Puppen, Legosteinen, Playmobilfiguren oder anderem Spielzeug.
Jedenfalls bis 20 Uhr hatten alle Eltern ihre Kinder abgeholt und Lundi konnte einmal tief durchschnaufen. Gott sei Dank hat sie uns nicht vergessen und für jeden von uns gab es dann noch ein leckeres Fresserchen. Und noch was zum Thema Schlafen, ihr fragt euch sicherlich ob Goldfische nachts auch Schlafen? Wir schlafen natürlich auch, bloß sieht man es nicht. Wir sinken zum Boden ab, haben die Augen offen weil wir keine Lider haben und schlafen halt. So dann mal Gute Nacht zusammen.
Heute sieht es aus als ob es ein ruhiger Tag wird, Lundi sitzt zusammen mit Hannes auf dem Sofa und schauen Bilderbücher an. Gibt es eigentlich auch Bilderbücher über Goldfische frage ich mich gerade. Da würde dann drinstehen das wir bis zu 30 Jahre alt werden können, manchmal sogar über 40. Natürlich würden in so einem Goldfisch Bilderbuch auch die unterschiedlichen Goldfischarten abgebildet werden sehr auffällige Goldfische sind zum Beispiel: der Schleierschwanz mit seiner langen und geteilten Schwanzflosse oder der Himmelsgucker, dessen Augen stark hervortreten wie der Glubschi bei uns im Aquarium.

Alle in diesem Post geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und sind nicht beabsichtigt.